Ferkelspenden! vgt.at Verein gegen Tierfabriken Menü

Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrags in Wort und Bild basiert auf der Faktenlage zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung (06.03.2017)

Fragenkataloge für die Evaluierung der Schaden-Nutzen Abwägung bei Anträgen für Tierversuche

Seit 1989 gibt es in Österreich eine sogenannte §12-Kommission, die vor Durchführung eines Tierversuchs diesen zu begutachten hat. Dabei wird zwar jeder Tierversuch für jedes noch so unnötige Versuchsziel im Sinne des Grundrechts der Freiheit der Wissenschaft zugelassen, aber er soll so human wie möglich durchgeführt werden, d.h. unter Nutzung von so wenig wie möglich Tieren, denen so wenig Leid wie notwendig zuzufügen ist.

Im neuen Tierversuchsgesetz soll das anders werden. Pelzfarmen wurden verboten, auch wenn sie noch so human durchgeführt werden, weil der Luxuartikel Pelz einfach das Tierleid in der Produktion nicht rechtfertigt. Ähnlich rechtfertigen manche Ziele von Tierversuchen die auch noch so humane Durchführung der Versuche nicht. Im neuen Tierversuchsgesetz soll also objektiv abgewogen werden, welche Tierversuche ethisch einfach grundsätzlich nicht vertretbar sind und abgelehnt gehören.

In der Nutztierhaltung gibt es z.B. den Tiergerechtheitsindex, mit dem festgestellt werden kann, ob eine Haltungsform als tiergerecht zu bezeichnen ist. Dabei werden lauter Aspekte der Haltung erhoben, wie z.B. bei Schweinen ob Stroh zur Verfügung steht, ob es Mehrflächenbuchten oder nur Vollspaltenböden gibt usw., und dafür Punkte vergeben. Wenn in Summe mehr als 28 Punkte herauskommen gilt die Haltung als tiergerecht.

Ähnlich soll im neuen Tierversuchsgesetz darüber entschieden werden, ob ein Tierversuch grundsätzlich aus Tierschutzgründen abzulehnen ist oder nicht. Man beantwortet einfach eine Anzahl von Fragen und die Gesamtsumme der Punkte gibt dann Auskunft darüber, ob der Versuch über oder unter einer angenommenen Grenze liegt und daher genehmigt oder untersagt wird.

Erster Evaluierungskatalog: David Porter aus Kanada 1992

David Porter, der selbst Tierversuche durchführt, hat bereits 1992 erstmals einen solchen Fragenkatalog vorgeschlagen. Quelle: Porter, DG: „Ethical scores for animal experiments“, Nature Vol 356, 12. März 1992, Seite 101-102.
Dabei werden für jede Antwort 1-5 Punkte vergeben, je mehr Punkte, desto weniger vertretbar ist der Versuch. Die Fragen sind:

  • Zielt der Tierversuch auf Heilverfahren für Menschen ab? (sehr=1, gar nicht=5)
  • Wie realistisch ist es, dass das Versuchsziel erreicht wird? (ausgezeichnet=1, begrenzt=5)
  • Welche Tierart wird verwendet? (ohne Zentralnervensystem=1, höhere Säugetiere=5)
  • Welche Schmerzbelastung für die Tiere wird erwartet? (keine=1, schwere=5)
  • Wie lange wird die Belastung dauern? (sehr kurz=1, sehr lange=5)
  • Wie lange dauert das Experiment im Vergleich zur Lebensdauer der Tiere? (sehr kurz=1, sehr lang=5)
  • Wie viele Tiere werden verwendet? (1 bis 5=1, >100=5)
  • Wie werden die Tiere im Versuchslabor gehalten und gepflegt? (ausgezeichnet=1, schlecht=5)

Dieser Katalog ist als Denkanstoß zu betrachten, in späteren Modellen wurden dann ethisch negative Aspekte, wie Tierleid, auch mit negativen Zahlenwerten versehen, positive Aspekte wie das Ziel, den Menschen von einer schweren Krankheit zu heilen, mit positiven Zahlenwerten. Bleibt die Summe negativ, ist der Tierversuch abzulehnen, wird sie positiv, kann er durchgeführt werden.

Das holländische Modell von 1994

Im holländischen Evaluierungskatalog von 1994 wird die Anzahl der Fragen auf über 50 erhöht. Quelle: De Cock Buning TJ und Theune E 1994: „A comparison of three models for ethical evaluation of proposed animal experiments“, Animal Welfare 3, Seite 107-128.

Im Fragenkatalog werden dabei die wissenschaftliche Qualität des Tierversuchs, die Belastung für die Versuchstiere, die Bedeutsamkeit für die menschliche Gesellschaft und zuletzt die Vertrauenswürdigkeit der Forschergruppe erhoben. Bei einer geringen Bedeutsamkeit, z.B. ein kleiner Erkenntnisgewinn ohne Bezug zu Heilungsverfahren für Krankheiten von Menschen oder Tieren, wird der Tierversuch grundsätzlich abgelehnt. Eine mittelmäßige Bedeutsamkeit des Tierversuchs führt nur bei einer schweren Belastung für die Versuchstiere zur Ablehnung. Sehr bedeutsame Tierversuche werden bei diesem Evaluierungskatalog immer genehmigt, egal wie viel Leid sie für die Tiere mit sich bringen, außer die wissenschaftliche Qualität des Versuchs ist mangelhaft oder die Forschergruppe ist durch ihre Vorgeschichte als unverlässlich ausgewiesen.

Heute sieht man das etwas anders. Selbst die EU-Richtlinie 2010/63 erlaubt den Mitgliedsstaaten, Tierversuche, die ein lang andauerndes, schweres Leid verursachen, grundsätzlich zu verbieten. Eine wissenschaftliche Studie hat gezeigt, dass schweres Leid für die Versuchstiere, insbesondere wenn es länger andauert, die Verlässlichkeit der Versuchsergebnisse stark beeinträchtigt. Neben dem Tierschutzargument gegen ein solches Leid, lässt sich also auch ein wissenschaftliches Argument gegen Tierversuche vorbringen, die ein solches Leid verursachen. Daher sollte ein Evaluierungskatalog derartiges Leid grundsätzlich ausschließen.
Quelle: Lindl T et al 2005: „Tierversuche in der biomedizinischen Forschung“, ALTEX 22, 143-151.

Der holländische Fragenkatalog von 1999

1994 und 1995 wurden zwei deutsche Evaluierungskataloge veröffentlicht. Der zweite holländische Fragenkatalog von 1999 fand dann in Genehmigungsverfahren für Tierversuche in Südafrika Anwendung. Quelle: Stafleu FR et al 1999: „The ethical acceptability of animal experiments: a proposal for a system to support decision-making“, Laboratory Animals 33, Seite 295-303.

Auf der Nutzenseite wird in diesem Katalog aufgrund der Beantwortung einiger Fragen der Gesamtwert des Tierversuchsprojekts, zusammengesetzt aus den menschlichen Interessen an Gesundheit, Wissenszuwachs und ökonomischem Gewinn, ermittelt. Anschließend ergibt sich aus einer Anzahl von Aspekten, wie der Qualität der Methodik und der Wahrscheinlichkeit, das angepeilte Ziel zu erreichen, die Gesamtrelevanz des Tierversuchsprojekts. Das Menschliche Interesse an dem Tierversuch ist dann sein Gesamtwert multipliziert mit der Gesamtrelevanz.

Demgegenüber auf der Schadensseite steht die Gesamtbelastung durch das Tierversuchsprojekt, die sich mittels einer mathematischen Formel aus der aktuellen Belastung für die Versuchstiere, der Anzahl der betroffenen Tiere und der Dauer der Belastung errechnet. Das Tierliche Interesse ergibt sich dann als Summe aus der Gesamtbelastung, dem intrinsischen Wert der Tiere und einem Summanden, der sich aus der psychologischen Komplexität der verwendeten Versuchstiere errechnet. Ist das Menschliche Interesse größer als das Tierliche, darf der Tierversuch stattfinden, ansonsten nicht.

Der Schweizer Evaluierungskatalog

Neben anderen Fragenkatalogen dieser Art wurde 2007 behördlicherseits ein eigener Evaluierungskatalog für das Genehmigungsverfahren von Tierversuchen in der Schweiz entwickelt. Dieser Katalog wird seitdem dort angewandt. Es ist zwar nicht zwingend vorgeschrieben, den Katalog positiv zu bestehen, um einen Tierversuch genehmigt zu bekommen, aber nur mit dem Katalog positiv bewertete Tierversuche erhalten Forschungsgelder, weshalb er in der Praxis eine große Bedeutung hat.

Für den Schweizer Evaluierungskatalog sind 29 Fragen zu beantworten. Damit werden auf der einen Seite der Erkenntnisgewinn durch den Tierversuch, die Relevanz für Gesundheit und Lebensqualität der Menschen und die Relevanz für Gesundheit und Wohlergehen der Tiere erhoben und auf der anderen Seite der Beeinträchtigung des Wohlergehens der Versuchstiere, Aspekten der Verwendung der Tiere und das Verantwortungsbewusstsein der ForscherInnen gegenüber gestellt. Der Katalog kann auf der folgenden Webseite heruntergeladen werden: http://tki.samw.ch/

Ein Evaluierungskatalog für das österreichische Tierversuchsgesetz

Auf Basis dieser Evaluierungskataloge und eigener Ideen entwickelt nun das Messerli-Institut an der Uni und der Veterinärmedizin in Wien einen eigenen österreichischen Fragenkatalog. Nach Angaben der ForscherInnen wird dieser noch im Jahr 2012 veröffentlicht. Dieser Evaluierungskatalog könnte dann in Form einer Verordnung als objektives Kriterium für den Genehmigungsprozess für Tierversuche in Österreich verpflichtend vorgeschrieben werden. Tierversuche mit wenig Erfolgsaussichten auf neue Heilungsmethoden für Menschen, die aber vielen Tieren schweres Leid zufügen, können dadurch grundsätzlich verboten werden. Die Verwendung eines Kriterienkatalogs dient der Objektivierung, der Transparenz, der Gerechtigkeit bezüglich einer Gleichbehandlung von Anträgen und einem konstanten Schutzniveau des Mitgeschöpfes Tier. Auch Lindl T et al 2012, „Guidance on Determining Indispensability and Balancing Potential Benefits of Animal Experiments with Costs to the Animals with Specific Consideration of EU Directive 2010/63“, ALTEX Vol 29, Nr 2, Seiten 219-228, fordern die Einführung eines Evaluierungskatalogs im Genehmigungsverfahren für Tierversuche.

Deine Privatsphäre ist uns wichtig!

Wir verwenden Cookies und verwandte Technologien, um unsere Website weiter zu entwickeln, um unsere Bewerbung dieser Website zu optimieren, die Ergebnisse zu messen und zu verstehen, woher unsere Besucher:innen kommen.

Du kannst die Cookies hier auswählen oder ablehnen.

DatenschutzhinweisImpressum
Einstellungen Alle ablehnen Alle erlauben

Cookie Einstellungen

Notwendige Cookies

Die notwendigen Cookies sind zur Funktion der Website unverzichtbar und können daher nicht deaktiviert werden.

Tracking und Performance

Mit diesen Cookies können wir analysieren, wie Besucher:innen unsere Website nutzen.

Wir können beispielsweise nachverfolgen, wie lange du auf der Website bleibst oder welche Seiten du besuchst. Das hilft uns unser Angebot zu optimieren.

Du bleibst aber anonym, denn die Daten werden nur statistisch ausgewertet.

Targeting und Werbung

Diese Targeting Technologien nutzen wir, um den Erfolg unserer Werbemaßnahmen zu messen und um Zielgruppen für diese zu definieren.

Konkret kann das Unternehmen Meta Informationen, die auf unserer Website gesammelt werden, mit anderen Informationen die dem Unternehmen bereits zur Verfügung stehen, kombinieren. Auf diese Weise können wir Menschen in den sozialen Medien Facebook und Instagram möglichst gezielt ansprechen.

Speichern Alle erlauben