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Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrags in Wort und Bild basiert auf der Faktenlage zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung (12.07.2022)

Wien, am 12.07.2022

Intelligenz und Bewusstsein bei Fischen – Teil 2

Die Intelligenzleistungen von vielen Fischen die auch über Artgrenzen hinweg kooperieren, lassen keinen Zweifel daran, dass es sich um hoch entwickelte, empfindsame Lebewesen handelt.

Die wissenschaftlichen Erkenntnisse über kognitive Fähigkeiten bei Fischen werden mehr. Und umfassender. Im Beitrag Intelligenz und Bewusstsein bei Fischen wurden einige Beispiele für Intelligenz und Bewusstsein bei Fischen vorgestellt: Beispielsweise Afrikanische Tigerfische, die aus dem Wasser springen und dabei über der Wasseroberfläche fliegende Rauchschwalben fangen. Oder Korallenriff-Kaninchenfische, die gerne paarweise unterwegs sind, um Nahrung zu finden. Während ein Fisch beobachtet und aufpasst, kann der andere in Ruhe Futter suchen und essen. Die gemeinsame Jagd von Zackenbarsch und Riesenmuräne ist ein außergewöhnliches Beispiel für artenübergreifendes kollaboratives Verhalten. Lippenfische benutzen Steine als Werkzeuge, um Muscheln zu öffnen. Kabeljaue lernten von selbst, einen Fütterungsapparat zu nutzen und Putzerfische bestanden den bekannten Spiegeltest.

In diesem Beitrag werden weitere Beispiele außergewöhnlicher Fähigkeiten von Fischen vorgestellt, die allesamt erneut verdeutlichen, dass Fische, intelligente, empfindungsfähige, soziale und mit Bewusstsein ausgestattete Lebewesen sind.

Schützenfische schießen mit Wasser auf Beute

Seit beinahe 20 Jahren wird das einzigartige Jagdverhalten von Schützenfischen studiert und erforscht. Die bevorzugte Nahrung dieser im indopazifischen Raum in küstennahen Meerwasser sowie Brack- und Süßwasser lebenden Fische sind Insekten, die ins Wasser gefallen sind. Um sein Nahrungsangebot zu vergrößern hat der Schützenfisch eine außergewöhnliche Jagdtechnik entwickelt. Knapp unter der Wasseroberfläche beobachtet er Insekten auf Pflanzen in Ufernähe und schießt diese mit scharfen, gezielten Wasserstrahlen die er mit dem Mund formt ab. Die Insekten verlieren oft den Halt, fallen ins Wasser und werden vom Fisch verschluckt.

Was einfach klingt, ist tatsächlich ein sehr kompliziertes Verhalten, das eine enorme kognitive Leistung darstellt. Die Schützenfische berechnen die Entfernung zum Beutetier und die Geschwindigkeit des von ihnen erzeugten Wasserstrahls unter Berücksichtigung der Lichtbrechung durch die Wasseroberfläche. Die Beutetiere befinden sich auf Pflanzen, sind also nicht klar und deutlich zu sehen. Außerdem bewegen sie sich, das bedeutet, der Schützenfisch muss im Bruchteil von Sekunden seine Berechnungen verändern. Dazu kommt noch die Konkurrenz von Artgenossen, die ebenfalls jagen.

Trotz zahlreicher Studien und Untersuchungen ist wissenschaftlich noch nicht eindeutig klar, wie genau die Schützenfische das schaffen. Es gibt viele Überlegungen und Vermutungen. So schreiben Stefan Schuster und Cait Newport in einem wissenschaftlichen Bericht zum Thema aus dem Jahr 2020: In some cases, such as when searching for targets, the visual capabilities of archerfish are functionally similar to those of humans, despite significant differences in neuroanatomy. (In einigen Fällen, wie z. B. bei der Suche nach Zielen, ähneln die visuellen Fähigkeiten der Bogenschützenfische funktionell denen des Menschen, obwohl es erhebliche Unterschiede in der Neuroanatomie gibt.) 1

Doktorfische genießen Massage durch Putzerfische

In Meeresriffen gibt es sogenannte Putzerstationen, die von unterschiedlichen Fischarten aufgesucht werden, um sich dort von kleineren Meeresbewohnern wie beispielsweise Putzergarnelen oder Putzerfischen von Parasiten reinigen zu lassen. Das an sich schon außergewöhnliche Sozialverhalten zwischen unterschiedlichen Fisch- bzw. Tierarten (es gibt das auch bei Säugetieren) wird als Putzsymbiose bezeichnet. Im Jahr 2011 stellte sich ein Team von Wissenschafter:innen die Frage, ob es bei diesem Putzverhalten nur um Säuberung geht. Oder ob nicht vielleicht noch mehr dahinter steckt. Denn Freilandbeobachtungen hatten gezeigt, dass es bei den Putzbehandlungen durch Arten der Gattung Labroides (Putzerlippfische) regelmäßig zu Konflikten zwischen den Putzfischen und ihren Kunden kommt. In solchen Situationen berühren die Putzerfische mit ihren Brust- und Bauchflossen oft den Rücken ihrer Kunden, ein Verhalten, das in Fachkreisen als taktile Stimulation bezeichnet wird. Es hat den Anschein, als würden Putzerfische ihre Kunden massieren, um ihr Verhalten dadurch zu beeinflussen. Also ging das Wissenschaftsteam der Frage nach, ob der körperliche Kontakt vielleicht zu Stressabbau führt, ganz so, wie es beim Menschen zu Stressabbau durch Massagen kommt.

In einer Versuchsreihe wurden Längsstreifen-Borstenzahndoktorfische zehn Tage lang mechanische Reinigungsapparate mit weichen Bürsten an der Unterseite angeboten, von denen sich die Doktorfische massieren lassen konnten. Die Ergebnisse waren verblüffend: die Berührung durch die Apparate führte bei den Fischen zu Stressabbau. Ohne soziale Interaktion durch einen anderen Fisch. Die Studienautor:innen in ihrem Bericht: Our results show that physical contact alone, without a social aspect, is enough to produce fitness-enhancing benefits, a situation so far only demonstrated in humans .... (Unsere Ergebnisse zeigen, dass körperlicher Kontakt allein, ohne einen sozialen Aspekt, ausreicht, um fitnessfördernde Wirkungen zu erzielen, was bisher nur beim Menschen nachgewiesen wurde.) 2

Wenn in der Riffgemeinschaft eines Meeres also Putzerfische taktiles Verhalten bei ihren Kunden anwenden, dann geht es dabei mitunter einfach auch um eine wohltuende Massage.

Siamesische Kampffische sammeln Informationen

Aus dem Jahr 1998 stammt eine interessante Beobachtung bei Siamesischen Kampffischen. Die männlichen Vertreter dieser Fischart sind für ihre ungewöhnliche Aggression gegenüber Artgenossen bekannt. Kämpfe untereinander sind immer gefährlich und enden oft mit Verletzungen bzw. dem Tod eines Fisches. Aus diesem Verhalten entwickelten Wissenschafter:innen eine Hypothese: We tested the hypothesis that male Siamese fighting fish pay particular attention to displays between other males and use information extracted from these interactions in subsequent contests with the males they have observed. (Wir untersuchten die Hypothese, dass männliche Siamesische Kampffische besonders auf die Zurschaustellung anderer Männchen achten und die aus diesen Interaktionen gewonnenen Informationen in späteren Wettkämpfen mit den beobachteten Männchen nutzen.)

In einer ausgeklügelten Versuchsreihe mit mehreren Wasserbecken in denen einzelne männliche Kampffische schwammen und sich gegenseitig beobachten konnten, bestätigte sich die aufgestellte Hypothese. Die Wissenschafter:innen in ihrer schriftlichen Abhandlung: Therefore, the most parsimonious explanation of our results is that male fighting fish can eavesdrop on interactions between other males. (Die plausibelste Erklärung für unsere Ergebnisse ist daher, dass männliche Kampffische die Interaktionen zwischen anderen Männchen belauschen können.) Sie fassen zusammen: In summary, these experiments support the idea that male B. Splendens gather information on the fighting ability of potential opponents by eavesdropping on other male to male interactions. (Zusammenfassend lässt sich sagen, dass diese Experimente die Idee unterstützen, dass männliche B. Splendens Informationen über die Kampffähigkeit potenzieller Gegner sammeln, indem sie die Interaktionen zwischen anderen Männchen belauschen.) 3

Raubfischinspektion und Informationsweitergabe bei Elritzen

Wenn Schwärme von Kleinfischen wie beispielsweise Elritzen auf Prädatoren, zum Beispiel einen Hecht, treffen, verlassen manchmal einzelne Fische den Schwarm, nähern sich dem Prädator, bleiben dann kurz vor ihm stehen und schwimmen danach wieder zurück zum Schwarm. Wissenschafter:innen untersuchten dieses ungewöhnliche Verhalten, um herauszufinden, worum es dabei geht. Die naheliegende Frage war, ob diese Fische die gewonnenen Informationen an andere Schwarmfische weitergeben?

Eine Versuchsreihe mit einem Modellhecht aus dem Jahr 1986 brachte tatsächlich dieses Ergebnis. T. J. Pitcher, D. A. Green und A. E. Magurran schreiben in der Zusammenfassung ihrer wissenschaftlichen Studie: Evidence is presented that inspecting fish assess the risks involved. Individual minnows which have carried out an inspection visit to the predator model exhibit changes in behaviour on return which are contingent upon the state of the model, demonstrating that information is gained. Other fish change their behaviour after an inspector returns to the group, suggesting that information about the threat is transferred among the shoal. (Es wird der Nachweis erbracht, dass inspizierende Fische die damit verbundenen Risiken einschätzen. Einzelne Elritzen, die einen Inspektionsbesuch beim Raubfischmodell durchgeführt haben, zeigen bei ihrer Rückkehr Verhaltensänderungen, die vom Zustand des Modells abhängig sind, was zeigt, dass Informationen gewonnen werden. Andere Fische ändern ihr Verhalten, nachdem ein Inspektor zur Gruppe zurückgekehrt ist, was darauf hindeutet, dass Informationen über die Bedrohung im Schwarm weitergegeben werden.) 4

Zwei Jahre später gab es einen weitere ähnliche Testreihe mit Elritzen und einem Modellhecht, bei der die Annahme, dass Schwarmfische Informationen über die Annäherung eines Prädators aus den Verhaltensänderungen anderer Schwarmmitglieder gewinnen können, getestet wurde. Die Ergebnisse waren ähnlich, wie das Wissenschaftsteam in ihrer Zusammenfassung schreibt: Nevertheless there is clear evidence that receiver fish modify their own behaviour on the basis of information obtained from individuals which have seen a predator. (Dennoch gibt es eindeutige Hinweise darauf, dass Empfängerfische ihr eigenes Verhalten auf der Grundlage von Informationen ändern, die sie von Individuen erhalten, die einen Räuber gesehen haben.) 5

Goldfische lenken Fahrzeug

Ein Team von Wissenschafter:innen der israelitischen Ben-Gurion Universität beschäftigte sich im Jahr 2021 mit der Navigationsfähigkeit von Fischen. Navigation ist eine essentielle Fähigkeit für das Überleben, die Nahrungssuche, Partnersuche, das Finden eines Unterschlupfes und anderer Verhaltensweisen. Das Team wollte wissen, ob Goldfische in der Lage sind, in einer terrestrischen Umgebung – also außerhalb des Wassers – zu navigieren. Zu diesem Zweck wurden Fische einzeln in ein kleines Wasserbecken gesetzt, das auf einem speziellen Fahrzeug (Fish Operated Vehicle – FOV) befestigt wurde. Mittels moderner Technik ist es möglich, die Bewegungen des Fisches im Wasser auf das Fahrzeug zu übertragen. Wenn der Fisch also beispielsweise nach vorne schwimmt, bewegt sich das FOV nach vorne. In einem Testraum wurde schließlich geprüft, ob die Fische es schaffen, das FOV zu einem definierten Ziel im Raum zu steuern. Die Ergebnisse waren verblüffend, wie die Wissenschafter:innen in ihrem Bericht mitteilen: The fish … were able to operate the vehicle, explore the new environment, and reach the target regardless of the starting point, all while avoiding dead-ends and correcting location inaccuracies. These results demonstrate how a fish was able to transfer its space representation and navigation skills to a wholly different terrestrial environment, thus supporting the hypothesis that the former possess a universal quality that is species-independent. (Die Fische … waren tatsächlich in der Lage, das Fahrzeug zu steuern, die neue Umgebung zu erkunden und das Ziel unabhängig vom Ausgangspunkt zu erreichen, während sie gleichzeitig Sackgassen vermieden und Ungenauigkeiten bei der Positionierung korrigierten. Diese Ergebnisse zeigen, dass ein Fisch in der Lage war, seine Raumvorstellung und seine Navigationsfähigkeiten auf eine völlig andere terrestrische Umgebung zu übertragen und stützen damit die Hypothese, dass erstere eine universelle Eigenschaft besitzen, die artenunabhängig ist.) 6, 7

Buntbarsche und Süßwasserstechrochen addieren und subtrahieren

An der Universität Bonn wurden Anfang 2022 Versuche mit acht Buntbarschen (Ppseudotropheus zebra) und acht Süßwasserstechrochen (Potamotrygon motoro) durchgeführt, bei denen es um einfache Rechenaufgaben wie Addition und Subtraktion im Zahlenraum von 1 bis 5 ging. Die Ergebnisse lassen staunen, wie die Wissenschafter:innen in ihrem Bericht erläutern: Cichlids as well as stingrays successfully learned to complete a delayed matching to sample task in addition to performing a simple arithmetic task, depending on the color of the test stimulus first presented to them. Transfer tests showed that learning was independent of straightforward symbol memorization. Individuals did not just learn to pick the highest or lowest number presented based on the respective color; instead, learning was specific to adding or subtracting one. (Sowohl Buntbarsche als auch Stachelrochen lernten erfolgreich, eine verzögerte Zuordnungsaufgabe zu einem Muster zu lösen und zusätzlich eine einfache Rechenaufgabe auszuführen, abhängig von der Farbe des Testreizes, der ihnen zuerst präsentiert wurde. Transfertests zeigten, dass das Lernen unabhängig von der reinen Symbolerinnerung war. Die Individuen lernten nicht nur, die höchste oder niedrigste dargebotene Zahl auf der Grundlage der jeweiligen Farbe auszuwählen; stattdessen war das Lernen spezifisch für das Addieren oder Subtrahieren von eins.)

Erwähnenswert sind auch die weiteren Schlussfolgerungen der Wissenschafter:innen: While the outcome is not really surprising given the previous cognition tasks mastered by fish, the results describe a new level of cognitive ability in these species nonetheless. (Das Ergebnis ist zwar nicht wirklich überraschend, wenn man bedenkt, welche kognitiven Aufgaben die Fische bisher gemeistert haben, aber die Ergebnisse beschreiben dennoch ein neues Niveau kognitiver Fähigkeiten bei diesen Arten.)

Und weiter: It seems obvious, that fish, their cognitive skills and their status to be considered as sentient animals urgently needs to be revisited, specifically in light of the detrimental anthropogenic threats fish face every day. (Es scheint offensichtlich, dass Fische, ihre kognitiven Fähigkeiten und ihr Status als empfindungsfähige Tiere dringend überdacht werden müssen, insbesondere angesichts der schädlichen anthropogenen Bedrohungen, denen Fische tagtäglich ausgesetzt sind.) 8


Quellen

  1. Bericht Stefan Schuster, Cait Newport: Archerfish vision: Visual challenges faced by a predator with a unique hunting technique, 2020
  2. Bericht Marta C. Soares, Rui F. Oliveira, Albert F.H. Ros, Alexandra S. Grutter, Redouan Bshary: Tactile stimulation lowers stress in fish, 2011
  3. Studie Rui F. Oliveira, Peter K. McGregor, Claire Latruffe: Know thine enemy: fighting fish gather information from observing conspecific interactions, Proceedings of the Royal Society B, Biological Sciences, 1998
  4. Studie T. J. Pitcher, D.A. Green, A. E. Magurran: Dicing with death: predator inspection behaviour in minnow shoals, April 1986
  5. Studie A. E. Magurran, Anthony Higham: Information Transfer across Fisch Shoals under Predator Threat, 1988
  6. Studie Shachar Givon, Matan Samina, Ohad Ben-Shahar, Ronen Segev: From fish out of water to new insights on navigation mechanisms in animals, 2021
  7. Spiegel Online: Fahrstunden für Goldfische (mit Video)
  8. Studie V. Schluessel, N. Kreuter, I. M.Gosemann, E. Schmidt: Cichlids and stingrays can add and subtract one in the number space from one to five, März 2022

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